2020 habe ich mich selbst das erste Mal (gezwungenermaßen, Dank des Lock-Downs) ernsthaft mit den digitalen Möglichkeiten beschäftigt: Es war Lockdown und ich wollte meinen Kund:innen Beschäftigungsmöglichkeiten für sich und ihren Hund anbieten und laufende Kurse auf keinen Fall einfach auf unbestimmte Zeit ausfallen lassen. Ich startete mit einigen Clickerkursen und nach und nach kamen weitere Kurse zu Themen wie Nasenarbeit, Körperarbeit, Dummytraining und Leinenführigkeit dazu.
Dabei durften die Hundeschulen in Hessen recht zügig wieder öffnen. Während dieser Zeit habe ich viel dazu gelernt, nämlich:
- Online-Angebote können Hundetraining vor Ort ersetzen
- Kein Online-Angebot kann Hundetraining vor Ort ersetzen
Hä? Fangen wir vorne an, es ist nämlich kompliziert.
Wenn dein Hund auffälliges Verhalten zeigt, brauchst du eine ordentliche Einschätzung und individuelle Beratung. Sei es nun, dass dein Hund bereits jemanden gebissen hat oder regelmäßig jagen geht, in bestimmten Situationen nicht mehr ansprechbar ist oder extrem ängstlich ist oder keine 2 Minuten ohne dich aushält. Die Probleme, mit denen Hundehalter:innen zu mir kommen sind so vielfältig, dass sie niemals alle gleichermaßen in einen einzelnen Online-Kurs passen würden.
Selbst thematisch aufgeteilt in verschiedene Online-Kurse würde es einer individuellen Beratung nicht gerecht werden. Denn in jedem -ich nennen es mal- Problembereich, gibt es wiederum diverse Gründe warum Hunde etwas tun und davon hängt auch ganz maßgeblich ab, welchen Weg wir gemeinsam im Training einschlagen.
Dazu kommt außerdem, dass du dabei eine auch nicht ganz unerhebliche Rolle spielst: Vielleicht würde ich mich (wenn es mein Hund wäre) für eine bestimmte Vorgehensweise entscheiden. Du bist ein ganz anderer Mensch und meine favorisierte Herangehensweise liegt dir nicht oder dein Alltag, deine Lebenssituation gibt das nicht her oder, oder. Sprich: Gutes Hundetraining findet die passende Lösung zum Problem und diese muss zu deinem Hund und dir passen. Meine Ziele müssen nicht unbedingt deine sein und dementsprechend ist das Ganze eine höchst individuelle und persönliche Angelegenheit.
Der langen Rede kurzer Sinn:
- Sobald es komplex ist (und das ist es fast immer), sollte dich dein Weg zu deiner favorisierten Hundeschule führen.
- Dort wird eine gründliche Einschätzung vorgenommen und mit dir gemeinsam der weitere Trainingsweg besprochen.
- Während des Trainingsprozesses wirst du angeleitet, begleitet und bei Fehlern oder Missverständnissen gecoacht, bis es passt.
All das können Online-Kurse so nicht leisten.
Hundewissen aneignen
Was ich bei den drei obigen Punkten ausgelassen habe und da kann ich natürlich nur für mich sprechen: Ich möchte, dass du so schnell wie möglich selbständig mit deinem Hund üben kannst. Deshalb besteht ein Teil des Coachings auch aus Wissen darüber, warum dein Hund was tut und warum du jetzt dieses oder jenes tun solltest, welche Auswirkungen diese Vorgehensweise haben wird und welche Auswirkungen mögliche, vorherige Versuche hatten. Man könnte auch sagen: Während du noch halb in der letzten Übung hängst und mit deinem Hund und mir im Training bist, schwalle ich dich zu.
Das muss nicht schlecht sein und aus Erfahrung weiß ich, dass es dabei viele Aha-Momente gibt. Ich sehe aber auch, wie anstrengend das für die meisten Hundehalter:innen ist.
Damit du eigenständig Situationen und deinen Hund besser einschätzen und selbständig weiter üben kannst, kommst du um ein solides Wissen über deinen Hund und Hunde im Allgemeinen nicht herum.
Diesen Teil kannst du dir super gut auch in Form von Online-Kursen aneignen. Du kannst dich dann im Coaching voll auf die Praxis mit deinem Hund konzentrieren und sparst somit nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Einfach, weil die Trainingseinheiten viel effektiver gestaltet werden können.
Methoden verstehen
Wenn du nur einmal durch eine Socialmedia-Plattform deiner Wahl scrollst, findest du diverse Trainingsphilosophien und Wundermethoden. Im echten Leben hast du sicher ebenfalls schon mehr als genug gut gemeinte Ratschläge und Meinungen zu hören bekommen, was du mit deinem Hund tun solltest dun was nicht. Mir fällt besonders in den letzten Jahren auf, dass viele Hundehalter:innen total verunsichert sind und sich dann an der Hundetrainerin oder der Methode orientieren, die irgendwie gut aufbereitet ist und gut klingt oder schnelle Ergebnisse verspricht. Ohne wirklich zu wissen, was da angewendet wird. Deshalb meistens auch mit mittelmäßigen Ergebnissen.
Das Lernverhalten von Hunden zu verstehen und sich ein wenig damit zu beschäftigen, was hinter den einzelnen Methoden wirklich steckt, was vielleicht erstmal zu funktionieren scheint, aber eben auch, welche "Nebenwirkungen" die jeweiligen Übungen oder Methoden haben, kann in einem Onlinekurs anschaulich und verständlich aufbereitet werden. Dafür brauchst du wirklich keine Einzelberatung. Das geht auch viel bequemer von Zuhause aus, mit dösendem Hund im Körbchen.
Diese beiden Bereiche können also wirklich problemlos in Form von Online-Kursen abgedeckt werden. Das hat den großen Vorteil, dass du dich nicht auf mehrere Dinge (deinen Hund, die Praxis, die Theorie) gleichzeitig konzentrieren musst. Viele Online-Kurse können zeitlich flexibel dann absolviert werden, wenn es in den eigenen Zeitplan passt. Bleibt also mehr Zeit für Gassi.
Übungen und Praxis
Mit Übungen und praktischen Anleitungen verhält es sich ähnlich wie in größeren Gruppenkursen: Es herrscht das Gießkannenprinzip.
In Gruppenstunden mit mehreren Teilnehmern entscheidet man sich als Trainer:in gerne für Übungen, die
- für die meisten Hund-Mensch-Teams gut umsetzbar sind,
- mit denen man nicht so viel "kaputt machen" kann.
Das liegt einfach daran, dass dein:e Trainer:in ihre Augen nicht gleichzeitig überall haben kann und für die einzelnen Teams weniger Zeit ist, als im Einzelcoaching. Deshalb werden meist Übungen ausgewählt, die fehlerarm umsetzbar sind und das Niveau orientiert sich an den "Durchschnittsteilnehmer:innen". Das ist logischerweise nicht so effektiv wie Einzeltraining und es kommt immer wieder vor, dass es für einen Teil der Hunde oder Menschen nicht so gut passt. Entweder, weil sie ganz andere Übungen bräuchten, ein anderes Lerntempo oder eine andere Umgebung.
Fehler fallen nicht so schnell auf und individuelle Anpassungen können in Gruppenstunden nur begrenzt vorgenommen werden.
Das muss nicht zwingend immer gleich schlecht sein und für viele Hund-Mensch-Teams passt es trotzdem ganz gut.
Ähnlich ist es in Online-Kursen, die Praxisteile beinhalten. Also konkrete Übungsanleitungen.
In manchen Online-Kursen habe ich das Problem mit zusätzlichen Praxiseinheiten vor Ort oder individueller Onlineberatung gelöst. So konnten die Übungen entweder in einem Einzelcoaching wiederholt werden oder wenigstens, teilweise auch anhand von Training vor der Handykamera oder anhand von zugesandten Videos, besprochen und angepasst werden.
Inwiefern das sinnvoll ist, hängt sicherlich von der Ausgangssituation, dem Trainingsziel und dem jeweiligen Hund-Mensch-Team ab. In vielen Fällen funktioniert das gut. Sobald es um Aggressivität, anderes, gefährdendes Verhalten oder massive Unsicherheit geht, halt ich es allerdings für fahrlässig und in solchen Fällen sollte immer unbedingt direkte, professionelle Beratung vorgezogen werden. Jedenfalls dann, wenn du mit deinem Hund in diesen Bereichen trainieren möchtest.
Wozu ich viel positives Feedback erhalte: Den meisten Hundehalter:innen hilft es sehr, sich Übungen und den Aufbau (anhand von Videos oder Bildstrecken) in Ruhe anschauen zu können und auch zu verstehen, worum es dabei geht, worauf sie achten sollten und was der Sinn einer Übung ist. Wenn es dann um die eigene Umsetzung geht, fällt diese viel leichter. Diesen Teil könnte man also als "Es kommt drauf an" bezeichnen.
Mobilität
Klar liegt es auf der Hand, dass ein gut gemachter Online-Kurs besser ist, als nix. Wenn die nächste Hundeschule der Wahl schwer erreichbar ist, erleichtert es den ganzen Trainingsprozess, wenn man wirklich nur dann eine Trainingseinheit bucht, um sich zu 100% auf die praktische Umsetzung zu konzentrieren und "den Rest" online machen kann.
trautes Heim
Zuhause, ohne Ablenkung und ohne Zeitdruck zu üben ist ein großer Vorteil von Online-Kursen. Diese Erfahrung habe ich sowohl bei interaktiven Live-Kursen gemacht, in welchen wir uns online zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen und ich per Webcam Übungen zeige und die Teilnehmer:innen diese dann mit meiner Hilfe nachmachen, als auch, wenn sich die Teilnehmer:innen die Inhalte selbständig erarbeiten.
Online-Kurse sind also besonders geeignet, wenn
- du dich schnell unter Druck setzt und lieber erstmal zu Hause, alleine anfangen magst,
- dein Hund leicht erregbar ist oder schnell ablenkbar,
- sich dein Hund nur wenige Minuten konzentrieren kann und längere Pausen braucht,
- dein Hund außerhalb der Wohnung oder in Anwesenheit fremder Menschen kaum ansprechbar ist, du aber dennoch schon üben magst,
- dein Hund an Gruppenangeboten aufgrund von Unverträglichkeit, Stress, Aufregung etc. noch nicht teilnehmen kann,
- dein Hund extrem unsicher ist, sich zu Hause aber schon so wohl fühlt, dass dort Übungen sinnvoll sind.
Inwiefern Online-Kurse für dich und deinen Hund und dein jeweiliges Anliegen oder Trainingsziel sinnvoll, die beste Lösung oder eine tolle Ergänzung sind, kannst nur du entscheiden. Es einmal auszuprobieren lohnt sich meiner Meinung nach sehr und nicht selten wurden besonders die Teilnehmer:innen, die anfangs skeptisch waren, regelrechte Online-Fans.
Online-Kurse für Hundehalter:innen werden die individuelle Beratung vor Ort niemals ersetzen können. Besonders bei der Arbeit mit Hunden, die in irgendeiner Form problematisches Verhalten zeigen, ist es etwas ganz anderes, vor Ort zu sein.
Mich persönlich verwundert die Diskussion darüber sehr. Schließlich führen wir diese über Hundebücher ja auch nicht. Jedem dürfte klar sein, dass Hundebücher und Ratgeber die individuelle Beratung und das Coaching in echten Lebenssituationen mit dem Hund nicht ersetzen können. Online-Kurse schließen hier eine große Lücke:
- Sie sind meist aufwändiger aufbereitet und beinhalten nicht nur "Lesematerial", sondern oftmals auch Videos, Webinare, Bilderstrecken und Workbooks zum Ausfüllen.
- Die meisten Online-Kurse werden in irgendeiner Form betreut. Viele Hundetrainer:innen nutzen Chats, Emails oder Facebookgruppen, bieten zusätzliche Online-Sitzungen an, um Fragen zu beantworten und den einezlnen Hund-Mensch-Teams weiterzuhelfen. Manchmal wird auch eine Art "Stammtisch" angeboten, in welchem sich die Teilnehmer:innen untereinander austauschen können. Das motiviert nicht nur, sondern ermöglicht auch, dass die Teilnehmer:innen sich sowohl mit den jeweiligen Kursanbietern austauschen können, als auch gegenseitig voneinander lernen können.
- Oftmals enthalten Online-Kurse eine Art Zeitplan, der dir Orientierung bietet. Du kannst also meist wählen, ob du dein eigenes Tempo wählst, oder dich daran orientierst. Meist werden Online-Kurse mit Erinnerungsmails begleitet. Der Kurs ruft sich also immer wieder Erinnerung und eure Trainingseinheiten geraten dadurch nicht so schnell in Vergessenheit.
- Wer weniger mobil ist, weniger finanzielle Möglichkeiten oder einfach keine:n entsprechenden Hundetrainer:innen in seiner Nähe findet, kann so ins Training starten.
- Online-Kurse bieten meist extrem viel Inhalte zu einem vergleichbar sehr günstigen Preis.
- Über einen Online-Kurs kannst du bereits mehr über die Arbeitsweise einer Hundetrainerin oder eines Hundetrainers erfahren und besser entscheiden, ob diese Person zu dir passt und welche Fragen du stellen möchtest.
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